29. März 2017

2 Kommentare

Anne-Sophie, 27, Hebamme
1.Kind: (vor 3 Jahren), Tochter, vorzeitiger Blasensprung, Kaiserschnitt wegen Beckenendlage, SSW 37. Sieben Wochen später Re-Laparotomie und Uterusperforation bei Entfernung eines Plazentarestes
2.Kind: (vor 4 Monaten), Sohn, Spontangeburt, 37.SSW

 

 

 

Die Geburt meiner Tochter war genau so, wie ich es niemals wollte. Sie war seit der 18. SSW in Beckenendlage und ich hatte 3 Wochen vor dem Entbindungstermin einen Beratungstermin zur äußeren Wendung. Davor haben wir wirklich alles versucht, um einen Kaiserschnitt zu umgehen (Knie-Ellenbogen-Lage, Indische Brücke, Homöopathie, Massagen, Taschenlampe, Moxibution, Akkupunktur, Aromatherapie, Schwimmen, Yoga, viel Bewegung).

Überraschende Sectio in der 36+3 Schwangerschaftswoche

Fünf Tage vor diesem Geburtsplanungstermin, in der 36+3 SSW, sprang mir Nachts die Fruchtblase und ich wusste sofort was mir nun bevorstand: Krankenwagen rufen und da ich auch gleich Wehen bekommen habe, umgehend der Kaiserschnitt. Es war ein Alptraum für mich. Alle meine Wünsche, Hoffnungen und Vorstellungen gingen in diesem Moment verloren und ich konnte nur noch machtlos zusehen, wie alles für den Kaiserschnitt vorbereitet und ich auf den OP-Tisch gelagert wurde.
Ich bin meinem Mann so unendlich dankbar, dass er mich auffing als ich total verzweifelt über diese Situation war und mich so unvorbereitet auf das Kommende und die Mutterrolle fühlte. Der Versuch einer Spontangeburt kam gar nicht in Frage, da das in dieser Klinik nicht üblich ist und man hier nach einem Blasensprung auch keine äußere Wendung mehr macht.
Die Sectio verlief ohne Komlikationen und unsere kleine (2350g!) Tochter kam auf die Welt. Dabei konnte man sehen, dass die Nabelschnur nicht direkt auf der Plazenta saß, sondern auf den Eihäuten (Insertio Velamentosa). Die Nabelschnur war auch noch sehr kurz (30cm) und einmal um den Hals unserer Tochter gewickelt. Eine äußere Wendung oder überhaupt eine Drehung in die Schädellage war somit einfach nicht möglich. Das war für mich einleuchtend und ich konnte mich langsam mit der Sectio abfinden, denn für unsere Tochter war es so defintiv der richtige Weg.
Dennoch war und bin ich immer noch traurig, mit ihr nicht das Ereignis einer Spontangeburt erlebt zu haben. Der Kontrollverlust und das „ausgeliefert sein“ machten mir am meisten zu schaffen.

Komplikationen treten auf

Beim Frauenarztbesuch 6 Wochen nach der Geburt kam dann der Schock: im Uterus sah man einen Plazentarest der per Ausschabung entfernt werden musste, da ich bereits Beschwerden (Blutungen, Unterbauchschmerzen) hatte. An sich ein Routineeingriff, doch aus 30 Minuten geplanter OP-Zeit wurden 2 Stunden. Als die Cürette eingeführt wurde, durchstach sie die Uteruswand und es kam zu einer Blutung. Man entschied sich für eine Bauchspiegelung um die Perforation zu nähen, doch das gelang nicht. Somit wurde meine Sectionaht eröffnet. Es folgte eine schlimme Zeit für mich und auch zwischen meiner Tochter und mir war es danach anders. Ich war sehr, sehr fertig wegen allem und habe mir auch 4 Moante danach professionelle Hilfe geholt um alles aufzuarbeiten. Ich war durch das Erlebte total traumatisiert. Danach ging es uns beiden sehr viel besser.

[optinform]

Die zweite Schwangerschaft

Als wir uns ein zweites Kind wünschten, kam der nächste Dämpfer: Wir sollten uns bei der Kinderwunschsprechstunde vorstellen, da mein Anti-Müller-Hormon-Wert sehr niedrig war und die Möglichkeit von Verklebungen im Uterus nach der zweiten OP bestanden. Dort wurde uns ein Termin für eine OP mitgegeben bei der die Durchgängigkeit der Eileiter überprüft werden sollte. Bis dahin sollten wir vorsichtshalber verhüten, damit ich nicht schwanger zur OP gehe. Dies taten wir nicht, da wir ja ein Kind haben wollten. So wurde ich wieder schwanger, ohne OP und ohne fremde Hilfe. Zu Beginn hatte ich große Sorge, ob alles gut geht und sich der kleine Zwerg gut einnisten kann, doch es verlief alles ohne Probleme. Das Kind wurde sehr gut versorgt, an der Plazenta gab es keine Auffälligkeiten und auch in mir wuchs die Selbstsicherheit und das Vertrauen, dass diesmal alles gut werden würde. Ich ließ keine CTGs schreiben und hatte wechselnde Vorsorge mit meiner Hebamme und meinem Frauenarzt, was mir so sehr gut gefiel.

Spontangeburt – Ein viel zu hohes Risiko?

Leider musste ich von vielen Seiten (Kolleginnen, Ärzte) hören, dass eine Spontangeburt doch viel zu riskant sei. Schließlich hatte ich zwei Narben am Uterus und die Gefahr einer Uterusrupur wäre somit erhöht. Ich habe viel nachgelesen, mich mit dem Thema beschäftigt und keine Daten oder Fälle gefunden, welche mir sagen konnten, wie hoch nun genau das Risiko in so einer Situation ist. Für mich stand fest, ich werde auf keinen Fall eine geplante Sectio machen lassen sondern dieses Kind auf normalem Wege, selbstbestimmt und eigenständig zur Welt bringen.

Bei der ersten Wehe in die Klinik

Mein Gynäkolge empfahl mir, sofort bei der ersten Wehe ein Krankenhaus aufzusuchen um so unter ständiger Bewachung eine mögliche Ruptur schnell zu erkennen. Doch auch dies war für mich sehr abschreckend, da ich diesmal kontrollieren wollte was, wann und wie mit mir geschieht. Ich hatte ein sehr starkes Vertrauen in meinen Körper und in das Baby, wollte alles so natürlich wie möglich ablaufen lassen und in Ruhe gelassen werden (wo ein sehr früher Kreißsaalaufenthalt und Dauerüberwachung eher nachteilig wären).
Leider war mit meiner Vorgeschichte keine Hausgeburt möglich, obwohl ich mir dies sehr wünschte. Deswegen fragte ich eine sehr gute Freundin und geschätzte Kollegin aus der Klinik, ob sie mich bei der Geburt begleiten würde. Sie wusste, wie ich es mir wünschte und bei ihr konnte ich mich sehr gut öffnen. Die Geburt begann auch beim zweiten etwas zu früh (36+6) und mit einem Blasensprung morgens, nur ließen die Wehen diesmal auf sich warten.
Ich brachte meine Tochter noch in den Kindergarten, war einkaufen, backte zwei Kuchen, organisierte die weitere Kinderbetreuung und wartete. Zwischendurch kontrollierte ich die Herztöne und vergewisserte mich, dass das Fruchtwasser klar war.
Als meine Schwester nachmittags meine Tochter abholte, kam sofort die erste Wehe und drei Stunden später hatte ich bereits kräftige und regelmäßige Wehen. Mein Mann machte es Zuhause sehr gemütlich, ließ mir Badewasser ein und packte meine Kliniktasche zu Ende. Es wurde immer schmerzhafter und im Liegen konnte ich es gar nicht aushalten. Somit verarbeitete ich Wehe für Wehe knieend, beckenkreisend und tönend im Vier-Füßler-Stand oder stehend.

Perfekte Bedingungen im nächtlichen Kreissaal

Gegen Mitternacht hatte ich das große Bedürfnis in den Kreißsaal zu fahren. Wie das Schicksal es wollte, hatte meine Wunschhebamme sogar Nachtdienst und auch eine sehr gemochte und geschätze Ärztin war im Dienst. Als wir ankamen, war es glücklicherweise leer im Saal und meine Freundin konnte sich voll und ganz um uns kümmern. Sie hat nur wenig Licht angemacht, hielt weiteres Klinikpersonal fern von unserem Kreißsaal, baute mir eine mobile CTG-Überwachung an, damit ich mich weiterhin frei bewegen konnte und war einfach nur da um einzugreifen wenn ich sie brauchte. Es war perfekt für mich. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl der Sicherheit, der Selbstbestimmtheit, der Kontrolle und der Zuversicht, dass alles gut werden wird.
Es wurde nichts getan, mit dem ich nicht einverstanden war und überhaupt wurde ich größtenteils einfach in Ruhe gelassen, denn so brauchte ich es. Klar tat es unvorstellbar weh, war unfassbar anstrengend und ich kam auch an den Punkt, dass man denkt es nicht mehr länger aushalten zu können, aber mein Mann und meine Freundin machten mir immer wieder Mut und gaben mir Motivation.
Als das Köpfchen geboren war, streichelte ich es, half bei der Schulterentwicklung und konnte ihn selbst sofort auf meine Brust nehmen. Somit war unser Sohn nach 12 Stunden Wehen geboren und ich so unbeschreiblich glücklich und stolz, trotz all dieser Widerstände, eine Spontangeburt geschafft zu haben.
Es war eine sehr heilsame Erfahrung für mich.

Abschließend möchte ich sagen, dass es so wichtig ist auf sich selbst zu hören, sich zu informieren und zu belesen, damit man alles hinterfragen kann, nicht alles zu glauben und zu machen was der Arzt oder sonst wer einem sagt, denn die sind auch nur Menschen und machen auch Fehler.

Was für den einen gut und richtig ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein.

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  1. Das ist eine wunderbare Geschichte, die mir – drei Spontangeburten und eine Not-Sectio mit Totgeburt nach Uterusruptur – sehr viel Mut macht.
    Danke!!

    1. Liebe Theresia,
      genau das war meine Absicht und es freut mich, dir Mut gemacht zu haben. Was dir widerfahren ist, tut mir aber im tiefsten Herzen weh!!!

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