15. Februar 2017

13 Kommentare

Als ich zum dritten Mal schwanger wurde, hatte ich bereits zwei Kaiserschnitte hinter mir. Mit dieser Vorgeschichte galt der 3. Kaiserschnitt als ausgemacht. Aber damit wollte ich mich nicht abfinden.

Lest hier, wie es weiterging:

Meine dritte Schwangerschaft verlief recht unspektakulär. Ich war gesund und arbeitete auf einer halben Stelle. Doch trotz der harmonischen Stimmung bei uns zu Hause war ich oft angespannt. Ich fragte mich immer wieder: Wird bei der Geburt unseres dritten Kindes alles gut gehen? Bin ich zu blauäugig, wenn ich mir nach zwei Kaiserschnitten eine natürliche Geburt wünsche?

Ich bin Medizinerin und normalerweise ziemlich eloquent, wenn es darum geht, meine Interessen zu verteidigen. Dennoch traf es mich, als einige Kolleginnen und Bekannte erklärten, sie hielten meinen Wunsch nach einer natürlichen Geburt für risikoreich und ausserdem egoistisch.

Doch warum wollte ich unser Baby auf natürlichen Weg zur Welt bringen? Als „Versagerin“ habe ich mich nie gefühlt. Es gab auch keinen Druck von anderen Müttern, eine ‘richtige’ Geburt erleben zu müssen“. Vielmehr blieb in mir nach den Kaiserschnitten das Gefühl zurück, etwas nicht vollendet zu haben. Es gab nach den beiden ersten Geburten eine unerklärliche Leere in mir.

Leider ist eine vaginale Geburt nach einem Kaiserschnitt in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Sie gelingt nur einer von vier Schwangeren, wie die Analysen der Bertelsmannstiftung im Faktencheck Kaiserschnitt zeigen.

Nach zwei Kaiserschnitten standen meine Chancen sogar deutlich schlechter. Aber ich ließ mich durch diese Fakten nicht entmutigen. Im Gegenteil.

Ich hatte mich bereits vor meiner dritten Schwangerschaft genau informiert, recherchiert und verschiedene Kolleginnen und Hebammen kontaktiert, bevor ich mir sicher war: Ja, das kann funktionieren. Meinen Mann brauchte ich zum Glück nicht zu überzeugen. Er stand von Anfang an hinter mir und bestärkte mich darin, meinen Weg zu gehen.

Eine gute Begleitung ist das A und O in der Geburtshilfe

Vor allem die Suche nach einer Klinik und einer erfahrenen Hebamme zur Begleitung der Geburt kostete viel Zeit und Geduld. Schließlich kam es nicht nur auf die fachliche Qualifikation an, sondern die Chemie zwischen uns und der Hebamme sollte stimmen, damit gegenseitiges Vertrauen entstehen konnte.

Unsere Wahl fiel auf zwei Hebammen. M. hat viel Erfahrung und sogar einige Geburten nach Kaiserschnitten zu Hause begleitet. Sie wirkte klar, kompetent und dabei sehr warmherzig. Allerdings wohnte sie drei Autostunden entfernt. Wir trafen uns mehrmals zu den Vorsorgeuntersuchungen.

Für den Notfall vereinbarten wir, eine weitere Hebamme hinzu zu ziehen, die rasch vor Ort sein könnte. So lernten wir G. kennen. Sie bietet Geburtsbegleitungen in einer nahegelegenen Klinik an und ist seit vielen Jahren im Geschäft. Mein Mann war gleich von ihr überzeugt. Er mochte ihre pragmatische Art und wie sie mit mir umging. Es gefiel ihm, daß sie mir erklärte: „Egal, wie Du Dein Kind bekommst, ich bleibe bei Dir. Ich lasse Dich nicht allein.“ Damit war eigentlich alles gesagt, fand er.

Bevor ich G. zum ersten mal traf, war ich ziemlich aufgeregt. Am Telefon sagte sie „Ich kann Dir nichts versprechen, jetzt lernen wir uns erstmal kennen und dann sehen wir weiter“. Ein paar Tage später stand sie vor meiner Tür: Eine energische Frau von 79 Jahren mit Kurzhaarschnitt und einem wachen, freundlichen Blick.

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Ich berichtete ihr von den beiden vorherigen Geburten; davon wie ich bei meinem Sohn irgendwann nach endlosen Stunden ohne Geburtsfortschritt die äusserst heftigen Wehen nicht mehr ertrug. Nach der Geburt war ich am Boden zerstört und total schockiert. So etwas wollte ich nie wieder erleben. Nach einigem Hin- und Her entschloss ich mich deshalb bei der Geburt unserer Tochter von vornherein zum Kaiserschnitt.

G. hörte einfach nur zu und resümierte „Und jetzt willst Du also eine natürliche Geburt“. Sie spürte, wie sie mir später beichtete, meine große Unsicherheit, aber auch meinen starken Willen. Am Ende unseres Gespräches willigte sie ein, mich zu begleiten.

Von Ängsten und Risiken

Meine Sorgen vor der nächsten Geburt kamen nicht aus heiterem Himmel. Nach einem oder mehreren Kaiserschnitten kann es dazu kommen, daß die Narbe an der Gebärmutter während der Geburtswehen einreißt. Diese so genannte Ruptur, kann für Mutter und Kind lebensgefährlich sein. Deshalb lehnen viele Hebammen und Ärzte eine natürliche Geburt nach zwei Kaiserschnitten ab.

Doch es gab zum Glück auch gegenteilige Meinungen. Prof. L., Leiter der Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin an einem großen deutschen Universitätsklinikum antwortete auf meine Anfrage, ob eine natürliche Geburt nach zwei Kaiserschnitten vertretbar sei: „Unter Ausschluss von organischen Störungen des Beckens oder Fehlbildungen der Gebärmutter ist eine vaginale Geburt auch nach zwei Kaiserschnitten unter optimaler Überwachung bei spontanem Geburtseintritt und –verlauf möglich und wird in unserer Abteilung so durchgeführt.“ Er nahm mir die Angst vor einer Ruptur und versicherte: „Selbst nach vorherigem Kaiserschnitt ist eine Ruptur selten. Sie kommt bei nur etwa fünf von 1000 Müttern vor.“

Der natürliche Geburtsbeginn ist wichtig

Auch eine der geburtshilflichen Kliniken in unserer Stadt war dafür bekannt, Frauen bei natürlichen Geburten zu begleiten, die in anderen Kliniken ohne Zögern einen Kaiserschnitt erhalten hätten.

Deshalb vereinbarte ich gemeinsam mit meinem Mann einen Termin zum Geburtsplanungsgespräch bei der Oberärztin der dortigen Geburtshilfe. Wir trafen auf Dr. B., die uns sehr freundlich begrüßte. Wir fühlten uns sofort aufgehoben und verstanden. „Ich sehe keinen Grund, der gegen eine natürliche Geburt spricht. Kommt einfach her, sobald es losgeht“, gab uns die Ärztin mit auf den Weg.

* * *

Am errechneten Geburtstermin kommt G. zum Hausbesuch. Außer einem leichten Ziehen hat sich bei mir bis jetzt nichts getan. „Die Geburt muss von selbst beginnen, ich gebe keine Mittel, um die Wehen anzuregen“, erklärt sie uns ohne eine Widerrede zuzulassen. Mit dieser Meinung war sie nicht allein. Auch die Ärztin aus der Klinik hatte uns erklärt: „Je weniger medizinische Eingriffe in den Ablauf der Geburt stattfinden, umso höher ist die Chance, dass die Geburt auf natürlichem Weg verläuft.“

Ich war inzwischen sehr aufgeregt und schwankte zwischen Unsicherheit und Zuversicht. Wird die Geburt von selbst beginnen, oder wird es zum erneuten Kaiserschnitt kommen? Ich versuche mir Mut zuzusprechen: „Ich freue mich auf die Geburt. Ich bin gut vorbereitet und ich werde das schaffen!“ Und ich frage mich, ob das nur das berühmte laute Singen im Wald ist.

* * *

Tag acht nach dem errechneten Termin:

Nun waren bereits acht Tage seit dem errechneten Termin vergangen und es stand wieder einmal eine Untersuchung bei meiner Frauenärztin auf dem Programm. Sie war besorgt und abwägend: Sollte sie mich jetzt in die Klinik schicken, damit die Geburt medikamentös eingeleitet werden kann? In meinem Fall würden diese Mittel die Wahrscheinlichkeit für eine Narbenkomplikation erhöhen. Wir entscheiden, noch zwei oder drei Tage zu warten, weil bisher alle Untersuchungsbefunde normal waren.

Tag zehn nach dem errechneten Termin:

Hebamme G. klingelte mittags an der Tür unseres kleinen Reihenhauses. Ich hörte sie nicht, denn ich schlief tief und fest. Mein Mann hatte G. angerufen, denn in der Nacht zuvor hatte ich stundenlang heftige Wehen.

Die Hebamme tastete meinen Bauch ab. Das Baby hatte sich in der letzten Nacht in Querlage gedreht. Aus dieser Lage könnte es auf natürlichem Weg nicht geboren werden. Ich zweifelte daran, daß es mit meiner Wunschgeburt klappen würde. Doch G. bleibt erstaunlich gelassen: „Mach dir keine Sorgen. Es ist dein drittes Kind und es hat genug Platz im Bauch. Wenn die Geburt beginnt, wird sich dein Baby noch drehen.“

Sie hatte eben einfach schon so viele unterschiedliche Geburten gesehen, daß sie sich von Babys, die sich querlegen, nicht aus der Ruhe bringen ließ. Diese Ruhe übertrug sie auch auf mich.

Der nächste Morgen:

Früh um vier Uhr kam G. wieder zu uns. Ich hatte seit Stunden regelmäßige, starke Wehen. Mein Mann öffnete die Tür, während ich langsam um den Eßtisch spazierte und mich bei jeder Wehe laut stöhnend auf der Tischplatte abstützte. Nach einer kurzen Untersuchung herrschte erst einmal Erleichterung. Das Baby lag wieder mit dem Kopf nach unten. Dann entscheidet G.: „Wir fahren in die Klinik! Jetzt!“ Ich möchte noch Rücksprache mit M. halten, die ja eigentlich zur Geburt dazu kommen sollte. Sie riet mir in ihrer klaren Art, auf G. zu hören und mit ihr in die Klinik zu fahren.
Nach einer langen ermüdenden Geburt kam unser Baby am nächsten Abend zur Welt. Auf natürlichen Weg! G. blieb die ganze Zeit über bei mir. Über 20 Stunden lang! Und ich? Ich lag völlig erschöpft, aber zufrieden in meinem Bett im Kreissaal. BabyMädchen war kaum zu sehen. Man hörte nur ein genüssliches Schmatzen.

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  1. Bei mir war es genauso.beim ersten Kind hat sich nach 20 Std wegen nichts getan. Er war auch sehr gross 4270g. Bei meiner Tochter wurde mir immer Angst gemacht was wenn sie so gross wird könnte zum Ruptur kommen. 3 Tage nach Et willigte ich Ks. Ein.weiss gar nicht warum..ich dachte .or dass ich sie nicht ins Gefahr bringen kann nur weil ich einen natürlichen Geburt wünsche.. und jetzt langsam kommen wir immer näher an einer weiteren Kinderwunsch und ich kann mir die Gedanke nicht akzeptieren nie erfahren zu können was f Gefühl es ist natürlich zu entbinden…. Danke für dein Blog. Gibt mir sehr viel Hoffnung.

    1. Liebe Nikolett, Information und gute Vorbereitung ist sehr wichtig. Es gibt einige Kliniken, die Mütter auch nach zwei Kaiserschnitten begleiten, wenn die med. Bedingungen stimmen. Frag nach und informiere Dich umfassend. Und unterschätze auch die mentale Vorbereitung auf die Geburt. Ich wünsche Dir alles Gute für eine weitere Schwangerschaft.

  2. Liebe Ute, ich habe zwei gesunde Jungs mittels „Bauchgeburt“ (danke für den Podcast) geboren. Mir geht es gut, doch mich hat es lange sehr beschäftigt. Ich wollte unbedingt den Grund erfahren, warum es jedesmal in der Austreibungperiode zum Geburtssstillstand kam. Nach vielen Recherchen, einem MRT Termin und nun die Ausbildung zur Hebamme, denke ich den Grund zu wissen. Ich hatte als Jugendliche eine Steißbeinfraktur, die verknöchtert ist und nach innen ragt. Ein Radiologe meinte die Krümmung des Steißbeins müsste >30° betragen, um eine natürliche Geburt möglich zu machen und es sei aktuell bei mir nicht der Fall. Alle Beckenmaße sind o.B., nur der Beckenausgang (Steißbeinspitze zu Promotorium beträgt 7cm.
    Immer wieder finde ich viele Beiträge über die mentale Unterstützung für den Versuch eines VBAC. Zu meinem Thema (Geburtshindernis Steißbein) habe ich irgendwie noch niemandem gefunden, der mir weiterhelfen könnte? Vielleicht gibt es jemanden, der sich vorstellen könnte diese Verknöcherung zu mobilisieren oder Erfahrungen von anderen Frauen?
    Ich komme aus Österreich und freue mich über jeden wertvollen Beitrag freuen!
    Herzlichen Dank und liebe Grüße, Daniela

    1. Hallo Daniela, falls Du auf Facebook unterwegs bist, empfehle ich Dir, der Gruppe „Natürlich gebären nach Kaiserschnitt VBAC/TOLAC beizutreten. Dort gibt es sehr viele Erfahrungen von Müttern und evtl. ist da auch jemand dabei mit dieser Vorgeschichte.

      Herzlich, Ute

  3. Hallo Ute,
    Deine persönliche Geschichte hat mich sehr berührt und inspiriert. Ich bin aktuell in der selben Situation. Nur leider habe ich mich schon bei einer Klinik erkundigt, die solche Möglichkeiten anbieten. Wegen Corona jedoch nur telefonisch mit meinen kurzen Schilderungen.
    Erster KS: leider eine Fehlentscheidung, da Druck durch Arzt (Sternengucker), Befund unreif, ohne Wehen, 3 Tage nach ET.
    Zweiter KS: tagelange Wehen, danach 2 Std lang geöffneter Mumu, topfittes kind jedoch keine Kraft mehr gehabt ohne Presswehen. Das kleine ist immer wieder ins Becken jedoch im Liegen wieder herausgerutscht.
    Das „nicht im Becken sein“ war schlussendlich am Telefon die ganz schnelle Absage und Indikation für einen weiteren KS lt Klinik. Zu gefährlich, Becken könnte fehlgebildet sein.

    Ich bin unendlich frustriert dass es so schnell abgelehnt wird. Welche Gründe gab es für deinen stockenden Geburtsfortschritt?
    Dein Blog macht wirklich Mut!
    Jedoch habe ich die Hoffnung und das Vertrauen in alles um mich herum fast verloren.

    Liebe Grüße Resa

    1. Lieben Dank für Deine Nachricht. Ein „stockender“ Geburtsfortschritt kann super viele Ursachen haben. Es wäre gut, wenn Du Dir das Kreissaaljournal und den OP Bericht schicken läßt und dies mit einer Hebamme besprichst. Auch psychische Grunde, Angst oder Unruhe, ebenso, wie viele Interventionen können zu einem Geburtsstillstand führen.
      Sehr selten ist ein enges Becken die Ursache. Herzlich, Ute

  4. Ich finde es total klasse, dass du dich nicht hast beirren lassen. Die These „einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt“ ist blöd. Es sollte viel mehr Frauen geben, die diese These widerlegen. Ich selbst habe nach genau einem Jahr eine spontane vaginale Geburt nach einem Kaiserschnitt gehabt. Und das ist ja wirklich ein kurzer Abstand.

  5. Guten Tag ,
    ich habe Frage,in welche Krankwnhaus oder Klinik kann ich finde Hilfe mit naturliche Geburt nach zwei Kaiserschnitten.ist das möglich?

    beste Grüße
    Zuzana

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